Von Hirschen, Wölfen und Islandpferden

Ein Reisebericht aus dem September von Ines Schielke - Impressionen unserer Herbstritte findet ihr ganz unten am Seitenende. 

"Fünf Tage Reiter-Urlaub in Pommoissel mit Svenja und Oliver - und dazu ist sogar optimales Reitwetter vorhergesagt - überwiegend trocken und rund 20 Grad am Tag.

Ich fahre mit meinem Auto auf den Hof und gehe schnurstracks nach dem Aussteigen zu den Paddocks, um zu sehen, wie es meinem Pferd geht, dass bereits am Vortag mit Svenja & Oliver angereist ist. Aber die Pferde sind offenbar bereits auf der Weide und so wende ich mich dem Haus zu. Dort begrüßt mich Svenja. Wir haben eine komfortable Zimmerauswahl und ich bekomme in der oberen Etage das große Zimmer mit dem schönen alten Schrank ganz für mich allein. Aber bevor wir die Zimmer beziehen sitzen wir vier im Vorgarten in der Sonne und besprechen bei Kaffee und Kuchen den Plan für den restlichen Tag.

Das Gepäck wird kurz in die Zimmer verfrachtet, wir springen in die Reitbekleidung und putzen und satteln unsere Pferde. Die Vierbeiner sind munter und gehen flott vorwärts. Das Gelände in Pommoissel ist sehr abwechslungsreich und für unsere Pferde ungewohnt hügelig. Es geht rauf und runter, dazu ist der Waldboden streckenweise fest, dann wieder sandig und tief. Mein Pferd stolpert im Schritt über jede Baumwurzel und ich bekomme leise Bedenken, ob wir zwei uns in einer schnelleren Gangart auf die Nase legen. Aber schon beim ersten Galopp auf einem zugewachsenem Trampelpfad, der sich bergauf durch den Wald schlängelt merke ich, dass meine Sorge völlig unbegründet ist. Nur das meine kleine Stute mal wieder meint, man muss möglichst dicht auf das vordere Pferd aufreiten und am besten überholen, ist mir etwas peinlich. Die Unebenheiten des Bodens sind aber weder im Schweinepass noch im Kreuzgalopp ein Problem. Stumm seufzend notiere ich innerlich, dass ich endlich mal an Gehorsam und Durchlässigkeit arbeiten muss. Aber der Ausritt ist viel zu schön, um sich lange zu ärgern und wir genießen den Wald, der mal dunkel, mal sonnendurchflutet um uns herum liegt.

Nach der Heimkehr auf dem Hof versorgen wir zunächst die verschwitzten Pferde und packen danach unsere Sachen aus.

Als alles verstaut ist, bereiten Gudrun und ich zusammen mit Oliver das Abendessen. Es gibt Pfannkuchen, herzhaft und süß. Wir drei Köche schmeißen die Zutaten „nach Gefühl“ zusammen und produzieren tatsächlich einen annehmbaren Teig. Oliver wendet sogar den ersten Pfannkuchen mit einer lockeren Handbewegung in der Pfanne. Unglaublich, der Mann kann nicht nur gut reiten und beschlagen sondern auch noch kochen. Und mit Käse, Zwiebeln, Oliven und Tomaten sind die Pfannkuchen ebenso ein Gedicht wie mit Apfelmus.

Am selben Abend wollen wir noch ein Highlight erleben: die Hirschbrunft des Rotwilds. Es ist bereits dunkel als wir in Richtung des Breeser Grundes fahren und dort in der Nähe auf einem kleinen Parkplatz gleich an der Straße halten. Wir steigen aus dem Wagen und stehen lauschend in völliger Dunkelheit. Tatsächlich hören wir laut das Röhren eines Hirsches klar vom Ende des Waldweges. Mindestens zwei weitere Hirsche sind leiser, aber ebenfalls deutlich aus anderen Richtungen zu hören. Um uns herum knackt es im stockdunklen Wald und neben der Faszination für die Hirsche überlege ich mit leisem Unbehagen, was wohl die Quelle für die Geräusche dicht neben uns sein könnte. Wildschweine? Rotwild? Wölfe? Wahrscheinlich sind es Igel oder kleinere Nager, aber ich bin doch erleichtert, als wir wieder im Auto sitzen und zurück zum Hof fahren.

Am nächsten Tag frühstücken wir ausgiebig und einigen uns darauf, eines der bekannten Rundlingsdörfer zu besichtigen und anschließend zu reiten.

In der Umgebung gibt es die Besonderheit, dass Dörfer sternförmig um einen Dorfplatz angelegt wurden. Wir entscheiden uns für den Besuch von Lübeln, schlendern dort zwischen den alten Häusern und besuchen den kleinen Laden, der allerlei Dinge aus der Umgebung zum Kauf anbietet.

Zurück auf „unserem“ Hof stärken wie uns mit Kuchen und Kaffee um anschließend wieder auf die Pferde zu steigen. Wir lassen uns abwechselnd gemütlich durch die Landschaft tragen und legen immer wieder flotte, lange Tölt- und Trabstrecken ein. An den Wegen stehen Apfelbäume, an denen wir und unsere Pferde uns bedienen. Das Leben kann so herrlich sein!

Diesen Abend wollen wir grillen. Dafür haben wir neben Salaten reichlich Fleisch und Wurst von den Blumencron‘schen Schweinen. Sabrina und Michel, die beide zusammen mit der kleinen Charlotte auf dem Hof wohnen, gesellen sich dazu. Weil es abends doch recht schnell kühl wird, entfacht Oliver zusätzlich ein Lagerfeuer und – obwohl eigentlich pappsatt vom deftigen Essen – rösten wir noch Marshmallows über dem Feuer. Oliver lässt einen Marshmallow in Flammen aufgehen und einen weiteren ziemlich schwarz werden, aber danach haben wir es raus und genießen mehr oder weniger das klebrige, süße Zeug, dass am Ende unserer Stöcker aufgespießt ist und sich davon wie Kaugummi abziehen lässt.

Der nächste Tag beginnt mit der gewohnten Routine: Gegen halb neun bereitet ein Teil der Gruppe das Frühstück während die anderen die Pferde auf die Weide treiben bzw. führen und anschließend abäppeln. Die Luft ist frisch aber die Sonne scheint und der Tau liegt auf den Wiesen und Feldern. Es ist fast kitschig. Dann wird gefrühstückt, währenddessen wir viel erzählen und den Tag planen.

Wir wollen nach Hitzacker fahren, wo der Metallgestalter Olaf Gramkow Dekorationfiguren für Hof und Garten herstellt. Gudrun fährt uns alle und ersteht noch schnell an einer Tankstelle einen Umgebungsplan, der beim Auseinanderfalten eindeutig eine von einer Maus rausgenagte Ecke offenbart. Wir habe mal wieder was zu lachen.

In der Werkstatt des Kunsthandwerkers angekommen erfahren wir, dass die gewünschten Motive gerade nicht vorrätig sind. Der Mann bietet uns jedoch an, diese schnell auszuschneiden und an Erdspießen anzubringen. Wir schauen zeitweise bei der Herstellung zu und dürfen uns im Garten auch noch an den leckeren Äpfeln bedienen. Svenja und Oliver erstehen neben dem gesuchten Hahn, der ein Geburtstagsgeschenk für Christine ist, noch einen Tölter und einen Wolf. Auch ich kann nicht widerstehen und nehme einen Wolf mit, auch wenn der Arme sich auf einem Balkon im Hamburger Hinterhof nicht halb so gut machen wird, wie in einem Pflanzenbeet.

Ein wenig später am Nachmittag kommen wir auf die Pferde und reiten eine etwas kürzere aber knackige Runde. Den Pferden merkt man an, dass sie die Vortage fleißig waren – oder wissen sie jetzt nur, dass sie sich ihre Kräfte besser einteilen müssen? Trotzdem gehen sie gut vorwärts und ich habe am Schluss dank Svenja, die mich ein wenig coacht, eine lange Strecke taktklaren und wunderschönen Tölt. Das Gefühl ist unbeschreiblich und gutgelaunt machen wir uns am Abend Pizza, nachdem wir unsere klatschnassen Pferde versorgt haben.

Am nächsten Morgen entscheiden wir, dass wir ein paar Antik- und Trödelhändler aufsuchen wollen, die es in der Gegend gibt. Das Angebot reicht von 70er-Jahre-Kitsch über aufgearbeitete Industriemöbel bis zu herrschaftlich anmutenden Schränken und Buffetschränken. Da wir aber gerade keinen Bedarf an solchen Dingen haben, kaufen wir nichts und machen am Nachmittag einen Ausritt, auf dem uns Michel begleitet. Diesmal bietet die Strecke breite feste Waldwege ohne größere Steigungen. Nach der Rückkehr genießen wir unser letztes gemeinsames Abendessen. Es gibt Lammbraten mit Rotkohl, Gemüse und Kroketten. Die Verpflegung ist einfach spitze. Anschließend machen wir noch eine lustige Spielerunde und gehen müde aber zufrieden schlafen.

Letzter Tag! Ein letztes Mal in der Morgenfrische die Pferde rausbringen und die Paddocks abäppeln. Sicherlich ist es nicht so angenehm, wenn man es täglich bei jedem Wetter machen muss, aber im Urlaub kann ich mir kaum vorstellen, dass der Tag mit einer entspannenderen Tätigkeit beginnen könnte.

Auch diesen Morgen wird beim Frühstück der Tagesablauf besprochen. Wir wollen erst packen, die Wohnung aufklaren, die Weiden abäppeln und dann einen letzten Ausritt unternehmen. Das Ausräumen und Säubern geht gut von der Hand und wir satteln anschließend ein letztes Mal die Pferde. Die Sonne scheint von einem strahlendblauen Himmel und wirft lange goldene Strahlen zwischen den Bäumen auf den Waldboden. Dazu wird uns noch ein ganz besonderes Bild geboten = Als wir einen der menschenleeren Wege in der Nähe des Bahnhofes entlangreiten, erblicken wir in circa 100m Entfernung in einem abgelegenen Garten einen Mann, der völlig unbekleidet Holz stapelt und erst ins Haus verschwindet, als er unsere verblüfften Stimmen hört. Was für ein Abschiedsritt.

Wir stellen unsere Pferde in die Paddocks und anschließend ist Sabrina so nett und zeigt uns ihre Werkstatt, in welcher sie Shirts anhand der Siebdrucktechnik bedruckt. Toll!

Danach setzten wir uns noch mal alle auf die Bänke vor dem Haus und essen den letzten Rest Kuchen. Ich kann mich kaum losreißen und Svenja muss mich schließlich ein wenig mit sanfter Gewalt auf den Heimweg schicken.

Das Verkehrschaos und die Hektik in Hamburg wirken völlig befremdlich auf mich. Mir wird bewusst, dass der schöne Urlaub endgültig vorbei ist.

Am nächsten Morgen sitze ich ganz allein an meinem karg gedeckten Frühstücktisch und denke wehmütig an die nette morgendliche Runde an den vorherigen Tagen. Aber ich tröste mich mit dem Gedanken, dass ich ganz bestimmt wieder nach Pommoissel fahre. Ganz sicher!"